Weiß-blaue Gaudi auf der Wiesn

Mächtige Kaltblut-Pferde ziehen prächtig geschmückte Kutschen, beladen mit Bierfässern, dazwischen Spielmannszüge, Musikkapellen und Trachtengruppen. Eine Stunde lang bahnt sich der bunte Zug mit den Pferdegespannen seinen Weg von der Josephspitalstraße zum berühmten Festplatz, die Theresienwiese.  

Der Einzug der Wiesnwirte ist der traditionelle Startschuss für Münchens Oktoberfest alljährlich Ende September und mittendrin sitzt auch das Münchner Kindl mit dem Oberbürgermeister der Stadt auf der Festkutsche. Pünktlich um 12 Uhr schlägt der Stadtchef das erste Wiesn-Bierfass im Schottenhamel-Festzelt an und wenn dann das „O’zapft is“ ertönt, leert der Bayerische Ministerpräsident die erste Maß. 

Kurz danach werden krachend vor der 18,5 Meter hohen Bavaria-Statue an der Ruhmeshalle zig Böllerschüsse gezündet. Dann weiß auch der Letzte auf dem riesigen Gelände des weltweit größten Volksfestes: Die Gaudi kann beginnen! Erst jetzt gehen die über 100 Fahrgeschäfte in Betrieb wie etwa das 50 Meter hohe Riesenrad und in den etwa 40 Festzelten wird um Punkt 12 Uhr das Bier aus sechs Münchener Brauereien im Sekundentakt ausgeschenkt. Und das ist meist eine Menge: 6,5 Millionen Maß tranken beim Oktoberfest 2023 die 7,2 Millionen Besucher in 18 Wiesn-Tagen. Eine Bilanz, die sich mit 1,5 Millionen mehr Besuchern als im Jahr zuvor sehen lassen kann.

Tausende Besucher festlich in Dirndl und Lederhose strömen über die Wirtsbudenstraße, ganze Ochsen drehen sich am Spieß und es duftet nach den typischen Schmankerln wie Brathendl, Steckerlfisch und gebrannten Mandeln. Die Achterbahn saust durch die Loopings, auf dem Teufelsrad ist die Hölle los, im Tobbagan versuchen sich die ersten auf dem Laufband und bei Dr. Archibald geht man per VR-Brille auf Zeitreise. 

Wer zum Auftakt oder an den Wochenenden in einem der großen Festzelte einen Platz ergattern will, muss jedoch rechtzeitig an eine Tischreservierung denken und sollte überlegen, welches Zelt zu ihm passt. Tausende Sitzplätze innen und außen sowie Live-Musik, Bombenbestimmung und gute Küche haben sie alle und die Auswahl reicht vom internationalen Partypublikum etwa im Hofbräu-Festzelt, über das Fischer Vroni Zelt, das an bestimmten Tagen Treff der LBGT-Community ist, bis hin zum Promi-Treff der Käfer Wiesn Schänke. Darüber hinaus gibt es aber auch etliche kleine Zelte, die auch perfekt für Familien sind. Alle Zelte im Überblick mit Reservierungslink zu den Wirten unter: www.oktoberfest.de

Mein Lieblingsbereich ist aber die Oide Wiesn (Alte Wiese), die 2010 zum ersten Mal zur 200-Jahrfeier des Oktoberfests im Südteil der Theresienwiese auf einem 3,5 Hektar großen, umzäunten Areal stattfindet und 4 Euro Eintritt kostet. Hier geht es ein bisschen wie früher zu, als das Oktoberfest noch nicht das weltgrößte Volksfest und rund um den Globus in aller Munde war. Die liebevoll in Schuss gehaltenen historischen Fahrgeschäfte, alte Wurfbuden oder das Marionettentheater versprühen nostalgischen Charme und im Motodrom hält man den Atem an. Die mutigen Steilwandfahrer brettern hier waghalsig auf alten Motorrädern über die Holzwand plus Kunststücke und Formationsfahren. Im idyllisch rotierenden Karussell Krinoline dreht man in der Sofagondel seine Runden zur Blasmusik, die live gespielt wird. Und in den Festzelten wie dem Museums-, Herzkasperl- oder Traditionszelt oder bei der Schützenlisl spielen die Kapellen nicht internationale Schlager, sondern bayerische Volksmusik und das Bier wird aus Steinkrügen nach alter Sitte getrunken – läuft!

Übrigens: Es gibt auch Führungen auf dem Oktoberfest. Dann erzählen Schausteller, die schon lange dabei sind, lustige Anekdoten aus ihrem Job. Beschwipste Vorkommnisse gibt es hier genug. Infos: www.einfach-muenchen.de

Und ein kleiner Knigge-Tipp zum Schluss: Nicht jede Frau trägt ein Dirndl, aber sollte man eines anziehen, kann man an der Schleife zeigen, ob man an einem Flirt interessiert ist oder lieber ungestört das Oktoberfest genießen will. 

Trägt man die Schleife links, bedeutet das, man ist Single. Trägt man sie vorne, ist man Jungfrau und die Schleife rechts gebunden, signalisiert, man ist verheiratet. 

Das Oktoberfest 2024 findet vom 21. September bis zum 6.Oktober statt und dann leider ohne Oide Wiesn. Alle vier Jahr macht sie nämlich Platz für das Bayerische Zentral-Landwirtschaftsfest.