Ein königliches Wochenende in London
28. April 2023Winterspaß in Klein-Tibet
Ein Holzchalet oberhalb des Dorfes, direkt an der Piste. Aus den Fenstern leuchtet warmes Licht. Im Inneren eine behagliche Gemütlichkeit mit einem Touch typisch italienischer Deko: Katzenbabys auf grünen Wiesen und knallrote Ferraris hängen gerahmt an der Wand. Kitsch, aber Heile-Welt-Stimmung und eigentlich nicht schlecht für den Urlaubsauftakt. Draußen rattert die Raupe am Haus vorbei, zieht Rillen in den Schnee. Gegenüber liegt das beste Hotel am Ort, das Lac Salin Spa & Mountain Resort und unten glitzern die Lichter des 7000-Einwohner-Dorfes. Darüber erheben sich dunkel auf der Ost- und Westseite die verschneiten 3000er.
Livigno in der italienischen Region Lombardei ist ein langgezogenes, abgelegenes Alpen-Tal an der Grenze zum Schweizer Engadin, das über Jahrhunderte und bis in die 1960er Jahre in schneereichen Wintern vollkommen abgeschnitten von der Außenwelt war. Ein Glücksfall für den heutigen Tourismus: Napoleon machte das Tal nämlich zur zollfreien Zone, damit die Bewohner das ganze Jahr bleiben und bis heute ist es Zollausschlussgebiet der Europäischen Union. In Livigno wird keine Mehrwertsteuer erhoben und vor allem Benzin, Tabakwaren, Alkohol und Parfüms sind deutlich günstiger. Auf den Shoppingmeilen Via Plan, Via Sant Antoni oder der Via Fontana reihen sich Parfümerien, Tabak- und Alkoholgeschäfte, Supermärkte sowie Sport- und Outdoor-Mode-Boutiquen in einer Fülle aneinander, die Staunen macht „Wir haben 250 Geschäfte“, sagt Letizia Ortalli vom Tourismusbüro Livigno. Sobald die Lifte am Nachmittag stillstehen, ziehen die Urlauber ins Einkaufsglück und bummeln beladen mit Tüten durch die Straßen und kehren etwa im beliebten „Bivio“ zum Après-Ski ein.
Livigno liegt auf 1816 Metern, gilt als besonders schneesicher und oft ist es in den Wintermonaten klirrend kalt, weshalb die Italiener den Ort „Kühlschrank Italiens“ oder auch „Klein-Tibet“ nennen. Und da es ohne Kunstschnee wie fast überall auch hier nicht mehr geht, hat Piccolo Tibet einen Vorteil: „Es ist einfacher bei -14 Grad Kunstschnee zu erzeugen, als bei -4 Grad“, sagt Letizia Ortalli.
Tagesgäste hat Livigno nur wenige und das liegt an der Anreise, die nach wie vor ein kleines Abenteuer und nicht günstig ist, um nur für einen Tag ins Tal zu fahren. Der meistgenutzte Weg nach Livigno führt von Norden durch den knapp 3,4 Kilometer langen Munt-la-Schera-Tunnel vom Schweizer Engadin ins Tal mit dem langen, im Winter bläulich glitzernden, zugefrorenen Stausee hinein. Der Tunnel besteht nur aus einer Spur, ist mautpflichtig und kostet je nach Tag, Zeit und Saison etwa zwischen 17 und 50 Schweizer Franken. Tipp: Günstigeres Kombi-Ticket hin und zurück kaufen, in der Hochsaison früh anreisen oder mit Wartezeit vor dem Tunnel rechnen. Bei Abreise aus Livigno an einem Samstag muss man vor 9 Uhr durch den Tunnel aus dem Tal fahren oder es ist erst wieder am Abend möglich, da tagsüber der Tunnel für anreisende Gäste offensteht.
Die andere Möglichkeit im Winter Livigno zu erreichen, ist über Bormio und den 2200 Meter hohen Foscagno-Pass zu fahren. Über Trepalle, ein Ortsteil, erreicht man das Dorf. Die Schneeketten sollte man unbedingt dabeihaben. Die dritte Möglichkeit ist eine reine Sommer-Variante und bei Motorradfahrern beliebt: Der Forcola-Pass im Süden verbindet Livigno mit dem Schweizer Poschiavo sowie etwa auch St. Moritz und ist in der Regel je nach Lawinengefahr nur von Juni bis November geöffnet.
Und dann rein in die Skistiefel und auf die Bretter: 115 Pistenkilometer hat Livigno, die eine Hälfte im Gebiet Carosello auf der Westseite und die andere im Mottolino-Gebiet im Osten. Hier führen vom höchsten Punkt auf knapp 2800 Metern zwei anspruchsvolle, schwarze Pisten bis zur Baumgrenze, die Könnern Spaß machen. Sonst haben beide Gebiete, die per kostenlosem Skibus verbunden sind, überwiegend breite, rote und blaue Pisten inklusive malerischen Waldabfahrten, die die Herzen der Skifans höherschlagen lassen. Spektakulär und akrobatisch geht es im Snowpark auf der Mottolino-Seite zu: Snowboarder, Trickskifahrer und Freerider sorgen mit atemberaubenden Sprüngen für Gänsehaut-Momente. Zum Mittagessen und später am Nachmittag läuft der Spritz auf der Camanel-Hütte und mit DJs, Tanz und Modeschauen ist Party angesagt. Auf der Carosello-Seite geht es dagegen ruhiger zu und in den urigen Hütten wie der „Tea Borch“ (Tea bedeutet Hütte) oder „Tea Cip e Ciop“ sitzt man innen wie außen supergemütlich direkt an der Piste. Tipp: Beide Hüttenwirte fahren Gäste am Abend für ein gemütliches Hütten-Abendessen mit Risotto, Spaghetti und Co. per Schneemobil ins Skigebiet und retour. Unbedingt vorab reservieren.
Und wer macht In Livigno Urlaub? „Wir haben 15.000 Betten und im Winter kommen etwa 75 Prozent der Gäste aus Polen, Tschechien und Deutschland und der Rest sind Italiener. Im Sommer ist es umgekehrt und weit über die Hälfte der Gäste kommen aus Italien. Wir sind nur fünf Autostunden vom Meer entfernt“, erzählt Letizia Ortalli.
Zwar kein Strand, aber die Badesachen können trotzdem in den Koffer, denn auch für Wasserratten hat Livigno viel zu bieten. Das Aquagranda, ein 10.000 Quadratmeter großes Schwimm- und Badezentrum am Ortseingang, ist von außen zwar unscheinbar, im Inneren aber klasse gemacht mit drei getrennten Bereichen. Familien mit Kleinkindern finden hier mit flachen Becken, Rutschen, Wasserspielen, Saunen sowie ein Restaurant alles für einen perfekten, entspannten Tag. Sportler sind im Bereich Fitness & Pool im Glück mit 25-Meter-Becken und Fitnessstudio plus Kursen. Wer dagegen relaxen will, wird im schön gemachten Wellness-Bereich mit Wasserbecken, Saunen, Anwendungen und Whirlpools herrliche Entspannung finden.
Outdoor-Sport ist im „Kühlschrank Italiens“ ideal: 30 Kilometer Langlaufloipen, zwölf Schneeschuhwanderwege und in den warmen Monaten begeistern anspruchsvolle Touren durch die Bergwelt zu Fuß oder auf dem Mountainbike bei gemäßigten Temperaturen. Sportler und Athleten schätzen Livigno wegen der Höhe auf 1800 Metern. In Klein-Tibet können sie ihre Performance verbessern etwa für den Extrem Triathlon vom 30.8 bis 2.9.2023. Und selbst im August findet noch ein Langlaufwettbewerb statt. Dann wird auf einem Kilometer echter Schnee, aufgehoben aus dem Winter unter einer sonnenabweisenden Plane, auf der Einkaufsstraße zur Loipe präpariert und die Einheimischen treten in Tracht mit nostalgischer Ausrüstung gegeneinander an.
Und noch eine kleine Geschichte zum Schluss, auf die man in Livigno stolz ist: Der italienische Schriftsteller Giovanni Guareschi hat sich von den Bewohnern Trepalles zu seinen legendären Figuren Don Camillo und Peppone inspirieren lassen. Also warum nicht, auf Skiern dem höchst gelegenen, bewohnten Dorfteil der Alpen zum Saisonfinale einen Besuch abstatten? Von 15.April bis zum 1.Mai ist der Skipass bei der Buchung von mindestens vier Hotelübernachtungen kostenlos.
Infos: http://www.livigno.eu
Meine Restauranttipps:
1. Kosmo Taste The Mountain
Das Ambiente des Kosmo ist modern-puristisch mit verglaster Front und schöner Terrasse. Serviert wird eine raffinierte Alpenküche mit Produkten der Region. Der Service ist sehr aufmerksam.
www.kosmotastethemountain.com
2. Hotel-Restaurant Piöda Viel Holz,
elegant-gemütlich eingerichtet und sehr leckere Gerichte und Menüs wie Rinderfilet mit Rucola, Bündnerfleisch und Nudeln aus Buchweizen. Unbedingt vorab reservieren. www.lapioda.com
3. Hotel-Restaurant Astoria Behaglich,
schlichtes Interieur und relativ groß mit Büffet für Hotelgäste. À la Carte gutes und preiswertes Essen mit knackigen Salaten oder auch gute Pizza. Weißwein aus der Region Flasche ab 18 Euro.
www.hastoria.it
4. Agriturismo Fontanella
Rustikales Lokal am südlichen Talende mit Fensterblick in den gut gefüllten Ziegenstall. Frisch zubereitete Hausmannskost wie Polenta mit Fleischragout oder Rindersteak vom Grill. Günstig. Sympathischer Service.
Fotocredit: Azienda di Promozione e Sviluppo Turistico, Livigno (16), Petra Kirsch (7)
Fast wie in Tibet – der Lago di Livigno am nördlichen Taleingang
Ab MIttags steigt die Party in der Camanel-Hütte auf der Mottolino-Seite
3 Comments
Wir gehen seit Jahren nach Livigno und freuen uns jedes Mal aufs Neue. Die Koffer sind schon wieder gepackt…
Livigno bietet für jeden etwas – ob Skifahrer oder Snowboard-Freak, Langläufer oder Wanderer, Power Shopper oder Schnäppchen-Jäger, Party-People, Gourmets u.s.w. – jeder kommt hier auf seine Kosten und alles zu absolut vertretbaren Preisen. Übrigens: einige Snowboard Wettbewerbe der nächsten Winter-Olympiade finden in Livigno statt.
Liebe Petra, super Bericht – super Bilder. Seit 20 Jahren gehen wir nun nach Livigno und haben so vieles nicht gemacht. Nach deinem Bericht weiß ich nun, was ich noch alles nachholen möchte – freu mich darauf – vielen Dank.
Liebe Petra,
Dein Artikel über Livigno ist klasse, wir waren bereits einige Male dort Ski fahren, jedoch haben wir festgestellt, dass Du einige Tipps beschrieben hast, die wir nicht kannten.
Vielen Dank – wir freuen uns auf unsere nächste Reise.